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Kündigung – Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht in Spandau und Charlottenburg: Fristlose Kündigung bei Beleidigungen in Chatgruppen

Fristlose Kündigung bei Beleidigungen in Chatgruppen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) setzt klare Grenzen in Bezug auf die fristlose Kündigung bei beleidigenden Äußerungen in privaten Chatgruppen. Wenn Arbeitnehmer Kollegen oder Vorgesetzte in solchen Gruppen diffamieren, kann dies zu einer sofortigen Kündigung führen, auch ohne vorherige Abmahnung.

Vertraulichkeit vs. Persönlichkeitsrecht

Das Gericht betont die Bedeutung des Persönlichkeitsrechts und der Vertraulichkeit in privaten Gesprächen. Jedoch gibt es Grenzen: Vertraulichkeit schützt nicht vor Konsequenzen bei schwerwiegenden Verstößen, wie Hassreden oder rassistischen Kommentaren. Das Urteil verdeutlicht, dass die Erwartung von Vertraulichkeit in Gruppen wie WhatsApp abhängig ist von der Größe und Zusammensetzung der Gruppe sowie dem Inhalt der Nachrichten.

Kriterien für die Vertraulichkeitserwartung

Das BAG stellt klar, dass mehrere Faktoren die Vertraulichkeitserwartung beeinflussen:

  • Die Anzahl der Gruppenmitglieder: Gruppen mit mehr als sieben Mitgliedern gelten eher als nicht vertraulich.
  • Wechselnde Mitglieder: Eine ständig wechselnde Gruppenzusammensetzung spricht gegen eine Vertraulichkeitserwartung.
  • Art des Mediums: Schnelle Weiterleitungsmöglichkeiten wie bei WhatsApp verringern die Vertraulichkeitserwartung.
  • Inhalt der Nachrichten: Schwere Beleidigungen und menschenverachtende Äußerungen widerlegen eine Vertraulichkeitserwartung.

Wichtig für Arbeitgeber

Arbeitgeber müssen einerseits die Vertraulichkeit respektieren, andererseits sind sie verpflichtet, gegen Mobbing und Diskriminierung vorzugehen. Empfohlen wird die Einführung einer Null-Toleranz-Politik gegenüber beleidigenden und hetzerischen Äußerungen. Schulungen und Beschwerdestellen können helfen, ein angemessenes Arbeitsumfeld zu schaffen. Bei Kenntnis von Verstößen sollten Arbeitgeber schnell und objektiv reagieren und gegebenenfalls disziplinarische Maßnahmen ergreifen.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil des BAG unterstreicht die Notwendigkeit eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen dem Schutz der Privatsphäre und dem Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer einerseits und der Verpflichtung des Arbeitgebers, ein respektvolles Arbeitsumfeld zu gewährleisten, andererseits. Es stellt klar, dass der Schutz der Vertraulichkeit seine Grenzen hat, insbesondere bei schweren Verstößen gegen die Würde und Rechte anderer Mitarbeiter.

24.08.2023 (Az. 2 AZR 17/23)

Böswilliges Unterlassen der Annahme zumutbarer Arbeit – Arbeitgeberrechte gestärkt

Entgeltansprüche des Arbeitnehmers belaufen sich auf Null, wenn durch böswilliges Unterlassen die Annahme zumutbarer Arbeit verweigert wird.

 

Was ist passiert?

Der Kläger, Sachbearbeiter einer Versicherung, forderte Ansprüche auf Annahmeverzugslöhne nach einem erfolgreichen Kündigungsschutzverfahren aufgrund von zwei fristlosen Kündigungen im Mai 2017 und Juni 2019. Er behauptet, keinen Zwischenverdienst erzielt zu haben. Seit Oktober 2018 habe er per E-Mail und über die Online-Jobbörse der Agentur für Arbeit 104 Bewerbungen versandt. Dabei erhielt er 75 Absagen, 29 blieben ohne Reaktion.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung zurück. Obwohl dem Kläger grundsätzlich Entgeltansprüche gemäß §§ 611a Abs. 1, 615 BGB aufgrund des Annahmeverzugs zustehen, belief sich dieser Anspruch vorliegend aufgrund von böswilligen Unterlassen der Annahme zumutbarer Arbeit gemäß § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG, § 615 S. 2 BGB auf Null.

Gemäß § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG darf der Arbeitnehmer nicht passiv bleiben, wenn ihm realistische Arbeitsmöglichkeiten angeboten werden.

Der Kläger habe zwar vorliegend Auskunft über die ihm unterbreiteten Vermittlungsvorschläge erteilt, die Beklagte präsentierte jedoch Indizien für die Zumutbarkeit der Arbeit. Insbesondere habe der Kläger sich nur auf drei Vermittlungsvorschläge beworben und keinen Kontakt zu den anderen von der Agentur für Arbeit benannten Arbeitgebern aufgenommen. Zusätzliche Indizien sei die Antwortmail eines potenziellen Arbeitgebers mit dem Hinweis auf die fehlende Erreichbarkeit des Klägers und die nicht erfolgte Bitte, vollständige Unterlagen zu senden. Dies deutet darauf hin, dass die Bewerbungsbemühungen des Klägers nicht ernsthaft waren.

Bei fehlenden Reaktionen auf 29 Bewerbungen hätte er nachfragen und den Sachstand erfragen müssen. Die Anzahl der Bewerbungen (rund 100 in 29 Monaten) entspricht rechnerisch nicht einmal einer Bewerbung pro Woche. Zudem wird die Qualität der Bewerbungen als indiziell ungünstig bewertet, da sie nicht an die jeweilige Stelle angepasst waren. Der Kläger ist diesen Indizien nicht substantiiert entgegengetreten, was zum Verlust des Anspruchs führt.

Fazit

Für die Praxis bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung einen entscheidenden Einfluss auf zukünftige Abfindungsverhandlungen haben wird. Das Landesarbeitsgericht setzt konsequent die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts um, wonach Arbeitgebern bei der Geltendmachung von Annahmeverzugslohnansprüchen Auskunftsansprüche zustehen. Gänzlich untätige Arbeitnehmer dürften es schwer haben, Annahmeverzugslohn geltend zu machen. Arbeitnehmer sollten nicht passiv bleiben, sondern aktiv nach realistischen Arbeitsmöglichkeiten suchen, einschließlich der Option, eigene Angebote abzugeben.

 

LAG Berlin-Brandenburg 6 Sa 280/22

Beweiskraft einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach Eigenkündigung

Worum geht es?

Im arbeitsrechtlichen Alltag nicht selten: Ein Arbeitnehmer kündigt das Arbeitsverhältnis. Im Anschluss an die Eigenkündigung, in manchen Fällen sogar unmittelbar, folgt die Vorlage einer ärztlich ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, nicht selten für die verbleibende Fortdauer des Arbeitsverhältnisses.

Sodann bittet der Arbeitnehmer um Auszahlung verbleibender Urlaubstage, die er auf Grund der Erkrankung nicht mehr wahrnehmen kann. Für den Arbeitgeber, der in solchen Fällen oft Zweifel am Vorliegen einer Erkrankung hat, stellt sich die Frage, ob die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hingenommen werden muss oder ob diese unwirksam ist und der Arbeitnehmer in der Folge unentschuldigt nicht zur Arbeit erscheint.Der Folgende Beitrag soll eine Übersicht zur Rechtslage sowie einigen ausgewählte Entscheidungen aus jüngster Zeit geben.

 

Zur Rechtslage – Grundsätzliches

Gemäß § 3 Abs. 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer, der ohne eigenes Verschulden krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist, für die Dauer von sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Grundsätzlich trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 EFZG (vgl. BAG, Urt. v. 11.12.2019 – 5 AZR 505/18, Rn. 16 nach Beck Online). Gemäß § 5 Abs. 1 EFZG ist eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, die voraussichtlich länger als drei Tage andauert, vom Arbeitnehmer durch die Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Attests nachzuweisen. Einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird ein hoher Beweiswert zugesprochen (vgl. LAG Niedersachsen Urt. v. 8.3.2023 – 8 Sa 859/22, Rn. 25). Grundsätzlich reicht die Vorlage einer solchen Bescheinigung aus, um den Beweis der Arbeitsunfähigkeit zu erbringen (vgl. LAG Niedersachsen Urt. v. 8.3.2023 – 8 Sa 859/22, Rn. 25). Der Arbeitgeber kann den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung nur dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die ernstliche Zweifel an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers wecken (vgl. LAG Niedersachsen Urt. v. 8.3.2023 – 8 Sa 859/22, Rn. 26). Die ärztliche Bescheinigung begründet keine gesetzliche Vermutung oder Beweislastumkehr (vgl. BAG Urt. v. 8.9.2021 – 5 AZR 149/21, Rn. 13). Zugunsten des Arbeitgebers ist dabei jedoch anzuerkennen, dass dieser in der Regel keine genauen Kenntnisse von den Umständen der Erkrankung hat. Ihm sind deshalb Erleichterungen zu gewähren (vgl. LAG Niedersachsen Urt. v. 8.3.2023 – 8 Sa 859/22, Rn. 27).

Ernstliche Zweifel an einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung können sich etwa aus der Bescheinigung selbst ergeben, aus den Umständen ihres Zustandekommens oder aus Verhaltensweisen des Arbeitnehmers (vgl. Ricken: „Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsfeststellung – Grundlagen und neue Herausforderungen“, RdA 2022, 235, 236). Die Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehrerer Ärzte allein reicht jedoch nicht aus, da es hierfür gute Gründe geben kann (vgl. Ricken: „Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsfeststellung – Grundlagen und neue Herausforderungen“, RdA 2022, 235, 237).

Aktuelle Rechtsprechung

Immer wieder haben sich die Gerichte, in den unterschiedlichsten Instanzen, mit Streitigkeiten auf diesem Gebiet zu befassen.
So äußerte sich das BAG in seinem Urteil 5 AZR 149/21 vom 08.09.2021 zur Beweiskraft von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Diese sei grundsätzlich sehr hoch. Um den Beweiswert zu erschüttern, müssten Tatsachen vorgebracht werden, die ernstliche Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers begründeten. Im konkret zu entscheidenden Fall sah das BAG die Beweiskraft als erschüttert an, nachdem die Arbeitsunfähigkeitserklärung am selben Tag wie die Eigenkündigung vorgelegt wurde und die Arbeitsunfähigkeit passgenau bis zum Ablauf des Arbeitsverhältnisses andauern sollte.

In der Entscheidung 3 Sa 135/22 vom 08.02.2023 schloss sich das LAG Mecklenburg-Vorpommern dem BAG im Wesentlichen an, betonte jedoch, dass über das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsentscheidung stets aus objektiver Sicht zu entscheiden sei. Subjektive Betrachtungen des Arbeitgebers reichen nicht aus. Ebenso wenig seien objektiv mehrdeutig plausibel erklärbare Sachverhalte nicht dazu geeignet, ernstliche Zweifel zu begründen. Im konkret zu entscheidenden Fall sah das LAG es etwa nicht als ausreichend an, dass der Arbeitnehmer vor der Krankmeldung seine Büroschlüssel im Büro zurückgelassen hatte. Die Gründe dafür habe er plausibel vorgetragen.

Das LAG Niedersachsen sah in seinem Urteil vom 8.3.2023 – 8 Sa 859/22 die Beweislast der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht dadurch erschüttert, dass der Arbeitnehmer bis zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses nach einer Kündigung durch den Arbeitgeber krankgeschrieben wurde. Dies gelte auch in Fällen der Eigenkündigung; wenn die Erkrankung über mehrere Wochen andauere und mehrere aufeinanderfolgende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorlägen. Wichtigstes Indiz für die Erschütterung der Beweiskraft sei, so das Gericht, eine Krankmeldung am Tag der (Eigen-) Kündigung.

In seiner Entscheidung vom 23.09.2022 – 1 Ca 20 b/22 sah das Arbeitsgericht Neumünster die Beweiskraft einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert, die am Tag nach der Eigenkündigung des Arbeitnehmers vorgelegt wurde.

Was ergibt sich daraus für die Praxis?

 

Nach wie vor wird die Beweiskraft von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als sehr hoch bewertet. Dieser Grundsatz lässt sich schon aus dem Gedanken des Entgeltfortzahlungsgesetzes ableiten. Jedoch ist die Beweiskraft nicht unerschütterlich. Liegen Tatsachen vor, die aus objektiver Sicht ernstliche Zweifel begründen, so ist es am Arbeitnehmer weitere Beweise für seine Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Eine solche Tatsache kann der zeitliche Zusammenhang zwischen Eigenkündigung und Krankmeldung sein. Aus der bisherigen Rechtsprechung lässt sich der Grundsatz entnehmen, dass je enger Eigenkündigung und Krankmeldung zusammen liegen, desto eher die Beweiskraft einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angezweifelt werden kann.

Arbeitsrecht Berlin Charlottenburg: Ablehnung der Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen im Rahmen einer Kündigungsschutzklage nicht böswillig

Ein Arbeitnehmer, der ein vorläufig vollstreckbares Weiterbeschäftigungsurteil erstritten hat, handelt nicht böswillig, wenn er ein verschlechtertes Angebot des Arbeitgebers zum Abschluss eines Prozessarbeitsverhältnisses ablehnt. Dies entschied das Bundesarbeitsgerichts am 08.09.2021 unter dem Aktenzeichen 5 AZR 205/21.

Was war passiert?

Der Kläger arbeitete bei der beklagten Arbeitgeberin als Qualitätsmanager. Nach einer betriebsbedingten Kündigung erstritt der Arbeitnehmer im Rahmen einer Kündigungsschutzklage ein vorläufig vollstreckbares Weiterbeschäftigungsurteil. Die Arbeitgeberin wollte den Arbeitnehmer jedoch nur im Rahmen eines befristeten Prozessarbeitsverhältnisses weiter beschäftigen. Dieses schloss unter anderem die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie das Entstehen eines Urlaubsanspruches aus. Dem stimmte der Arbeitnehmer nicht zu; er wollte vielmehr zu unveränderten Bedingungen entsprechend dem Urteil weiterbeschäftigt werden. Der Arbeitnehmer klagte gegen die Arbeitgeberin auf Zahlung der Vergütung wegen Annahmeverzugs. Die Beklagte war der Meinung, durch die Ablehnung ihres Angebots auf Abschluss eines befristeten Prozessarbeitsverhältnisses habe der Kläger böswillig anderweitigen Verdienst unterlassen.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG stellt klar, dass der Arbeitnehmer, hat er bereits einen (vorläufig) vollstreckbaren Weiterbeschäftigungsanspruch aus dem Kündigungsschutzprozess erlangt, nicht böswillig handelt, wenn er nur im Rahmen dieses Urteil weiterbeschäftigt werden will. Böswillig handelt der Arbeitnehmer dann, wenn er es absichtlich verhindert, in dem Betrieb (wenn auch nicht mehr in der selben Funktion) oder anderweitig beschäftigt zu werden. Dabei ist es dem Arbeitnehmer auch zuzumuten, mit der Arbeitgeberin ein befristeten Arbeitsvertrag zu schließen. Seine Grenze findet die Böswilligkeit jedoch, wenn die Arbeitgeberin die tatsächliche Weiterbeschäftigung verhindert, indem sie diese an weitere Bedingungen, wie die Unterzeichnung einer weiteren Vereinbarung knüpft. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer, der bereit ist, weiter beschäftigt zu werden, diese verweigern, ohne dass ihm Böswilligkeit vorgeworfen wird.

Fazit

Hat ein Arbeitnehmer einen Weiterbeschäftigungsanspruch erstritten, so genügt es, wenn er seine Arbeitsleistung anbietet. Er ist nicht verpflichtet, andere als die in seinem bisherigen Arbeitsvertrag enthaltenen zu akzeptieren. Der Arbeitgeber muss genau prüfen, wann Bedingungen einer Weiterbeschäftigung noch angemessen sind, insbesondere in Anbetracht des Risikos eines Totalausfalls des Arbeitnehmers.

Arbeitsrecht Spandau: Bundesarbeitsgericht zur Rückzahlung von Fortbildungskosten

Immer wieder das Thema Fortbildungskosten und  die Wirksamkeit einer Rückzahlungsverpflichtung. Im folgenden soll kurz ein relativ aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Wirksamkeit von Rückzahlungsverpflichtungen dargestellt werden. Im Einzelnen:

Die Unangemessenheit einer Einzelvertragliche Rückzahlungsvereinbarungen richtet sich nicht nach der konkreten Anwendung im Einzelfall, sondern nach der Möglichkeit der Benachteiligung. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht am 01.03.2022 unter dem Aktenzeichen 9 AZR 260/21.

Was war passiert?

 

Eine bei der Klägerin angestellte Altenpflegerin absolvierte eine Fortbildungsmaßnahme. Die Kosten übernahm die Klägerin. Die Arbeitnehmerin unterzeichnete einen Fortbildungsvertrag, in dem eine Bindungsfrist und die Rückzahlungspflicht im Falle eines verfrühten Ausscheidens der Arbeitnehmerin geregelt waren. Die Bindungsfrist betrug 6 Monate. Im Falle einer nicht durch die Arbeitgeberin verschuldeten Eigenkündigung der Arbeitnehmerin innerhalb der Bindungsfrist wurde diese verpflichtet die Fortbildungskosten (anteilig) an die Arbeitgeberin zu zahlen. Noch vor Abschluss der Fortbildungsmaßnahme kündigte die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis. Die Arbeitgeberin forderte daraufhin anteilig die Rückzahlung der Fortbildungskosten.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG bestätigte die Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts.

Die Rückzahlungspflicht ist unwirksam, weil sie auch dann eintritt, wenn die Arbeitnehmerin für die Umstände ihrer Eigenkündigung nicht verantwortlich ist.
Zunächst stellt das BAG fest, dass es sich aufgrund der äußeren Erscheinungsform des Fortbildungsvertrages um AGB handelt. Individuell waren nur die personenbezogenen Daten. Rückzahlungsvereinbarungen seien grundsätzlich zulässig, weil hierdurch die Interessen des Arbeitgebers geschützt werden. Unzulässig sind solche Vereinbarungen jedoch, wenn sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen können. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass die Benachteiligung bereits eingetreten ist, es reiche die Möglichkeit aus. Hier bestand die Rückzahlungspflicht für jegliche Eigenkündigung der Arbeitnehmerin, unabhängig vom eigenen Verschulden der Arbeitnehmerin. So wäre sie auch zur Rückzahlung verpflichtet gewesen, wenn sie unverschuldet (z.B. aufgrund von dauerhafter Erkrankung) nicht mehr in der Lage gewesen wäre, ihre Tätigkeit auszuführen und dann aufgrund der finanziellen Lage nach Ablauf der Lohnfortzahlung gekündigt hätte. Aufgrund der fehlenden Differenzierung stellt die Vereinbarung eine unangemessene Benachteiligung dar und ist unwirksam. Eine Erhaltung der Regelung in eingeschränkter Form kam für das BAG nicht in Betracht.

Fazit:

Die meisten Verträge, die Arbeitgeber mit ihren Arbeitnehmern schließen unterliegen der AGB-Kontrolle und sollten daher möglichst detailliert geregelt sein um nicht aufgrund einer gar nicht bezweckten Regelung vollends unwirksam zu sein. Auch in Fortbildungsverträgen muss das Verschulden die Grundlage für Sanktionen bilden. Die verschuldensunabhängige Haftung kann in den meisten Fällen nicht mittels Formularverträgen geregelt werden.

 

Siehe auch zum Thema Fortbildungskosten hier

Arbeitsrecht Charlottenburg: Außerordentliche Kündigung; unechte „Bescheinigung einer vorläufigen Impfunfähigkeit“

Was war passiert?

Die Klägerin ist Krankenschwester im Krankenhaus der Beklagten. Im Zuge der Corona-Pandemie wurden alle Angestellten aufgefordert eine Bescheinigung über den Impfstatus bzgl. des Sars-CoV 19 Virus dem Arbeitgeber zu geben. Die Klägerin gab der Beklagten eine Bescheinigung über ihre vorläufige Impfunfähigkeit, die sie aus dem Internet heruntergeladen hat.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein vom 7. Dezember 2022

Das Gericht stellt fest, dass keine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber vorliegt. Die aus dem Internet geladene Bescheinigung stellt keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Die Vorlage der Bescheinigung stellt kein Täuschungsversuch der Klägerin gegenüber der Beklagten. Zwar stellt das Vorlegen der Bescheinigung eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar, jedoch keinen derart schwerwiegenden. Die Beklagte hat nach der Vorlage über die vorläufige Impfunfähigkeit keinen anschließenden Arztbesuch der Klägerin veranlasst. Die Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung muss auch die teilweise kritische Haltung von Ärzten gegenüber der Impfung berücksichtigt werden. Auch die bei der Klägerin bestehenden Allergien mussten berücksichtigt werden, denn die Klägerin wollte eben nicht über nicht bestehende Allergien täuschen. Zuletzt ist auch die Bescheinigung als solche zu bewerten, denn sie spricht nur von einer vorläufigen Impfunfähigkeit der Klägerin.

Fazit:

Eine unechte Bescheinigung über die vorläufige Impfunfähigkeit kann im Einzelfall nicht ausreichend sein, um dem Arbeitnehmer außerordentlich zu kündigen. Für eine außerordentliche Kündigung müssen weitere Faktoren hinzutreten.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Spandau: Wirksamkeit einer Kündigung wegen Verstoß von Quarantäneanordnung

Am 23.06.2022 befasste sich die 26. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg in der Entscheidung 26 Sa 1322/21 mit der Wirksamkeit einer Kündigung infolge eines Verstoßes gegen Quarantäneauflagen.

Worum ging es?

Der Kläger war Mitarbeiter bei der Beklagten, einem Sicherheitsunternehmen. In der Nacht vom 11. Auf den 12. Januar 2021 war er zur Überwachung einer Wohnung für Obdachlose eingeteilt. In der gleichen Nacht arbeitete im Nebenzimmer eine Auszubildende, die am 16. Januar 2021 erste Symptome einer Corona-Erkrankung zeigte.

Der Kläger erschien nach der Nachtschicht noch am 13. Januar sowie vom 18. bis 20. Januar. Am 19. Januar wurde beim Kläger ein Corona-Test durchgeführt, der negativ ausgefallen ist. Ebenso am 19. Januar wurde der Kläger über die Coronainfektion der Auszubildenden informiert. Über die Geschehnisse informierte er die Beklagte am 20. Januar. Am 25. Januar 2021 erhielt der Kläger ein Schreiben des Gesundheitsamtes mit der Information, dass er als Kontaktperson bis zum 30. Januar unter Quarantäne stehe. Trotzdem erschien der Kläger in den darauffolgenden Tagen wie geplant zur Arbeit. Erst am 01. Februar 2021 informierte der Kläger die Beklagte über die Quarantäneanordnung.

Daraufhin hörte die Beklagte den Betriebsrat bezüglich einer Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat enthielt sich. Anschließend kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos, hilfsweise fristgemäß. Der Kläger klagte dagegen. Er versah sich keiner Pflichtverletzung. Schließlich sei er am 19. Januar negativ getestet worden. Außerdem sei die vom Gesundheitsamt verhängte Quarantäne zu lange gewesen.

Das Arbeitsgericht Berlin gab in erster Instanz der Beklagten recht. Daraufhin ging der Kläger in Berufung. Er reichte ein Schreiben des Bezirksamts Mitte ein, welches feststellte, dass er nicht hätte als Kontaktperson der Auszubildenden eingestuft werden dürfen, da zwischen der gemeinsamen Nachtschicht und dem Auftreten erster Symptome bei der Auszubildenden mehr als drei Tage vergangen waren. Die Beklagte begehrte, wie schon in erster Instanz, Abweisung der Klage. Der Kläger habe durch sein Verhalten das Infektionsschutzgesetz (kurz IfSG) verletzt und Menschen gefährdet. Auch wenn er selbst keine Symptome hatte, so hätte er auch unbemerkt an einer symptomlosen Coronainfektion erkrankt sein können.

Was hat das Landesarbeitsgericht entschieden?

Das Landesarbeitsgericht gab dem Kläger recht und stellte die Unwirksamkeit sowohl der ordentlichen als auch der außerordentlichen Kündigung fest.

Zur außerordentlichen Kündigung:

Kündigungsgrund

Zunächst befasste das Gericht sich mit der fristlosen Kündigung. Diese ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB wirksam, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann ( vgl. BAG 25. Januar 2018 – 2 AZR 382/17, Rn. 26).

Das Gericht stellte zunächst klar, dass es bei der arbeitsrechtlichen Bewertung des Sachverhalts nicht darauf ankommt, ob oder inwieweit der Verstoß gegen Quarantäneauflagen strafrechtlich bewährt ist. Entscheidend sei allein die Frage, ob der Kläger vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten verletzt habe und dadurch ein massiver Vertrauensbruch entstanden sei.

Zum vorliegenden Sachverhalt führte das Gericht aus, dass das Verhalten des Klägers grundsätzlich dazu geeignet gewesen sei eine fristlose Kündigung zu begründen. Er habe seine Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 242 Abs. 2 BGB verletzt, indem er trotz Quarantäneanordnung zur Arbeit erschienen ist und damit riskiert hat, Kollegen mit Corona anzustecken. Erschwerend käme hinzu, dass der Sachverhalt sich zu einer Zeit abgespielt habe, zu der noch nicht ausreichend Impfstoff für die Bevölkerung zur Verfügung stand und eine Coronainfektion weitreichende gesundheitliche Folgen bis zum Tode hätte haben können.

Interessensabwägung

Das Gericht stellte sodann klar, dass bei Vorliegen eines Grundes für eine fristlose Kündigung sodann eine umfangreiche Interessensabwägung stattfinden müsse. Bei dieser sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Eine fristlose Kündigung sei nur gerechtfertigt, wenn es keine milderen dem Arbeitgeber zumutbaren Mittel gäbe. Alle Umstände des konkreten Einzelfalls müssten gewertet werden. Vorliegend ginge die Interessensabwägung zugunsten des Klägers aus. Das Gericht führte aus, dass sowohl einer ordentlichen als auch einer außerordentlichen Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung vorangehen müsse. Ausnahmen von diesem Grundsatz seien nur rechtmäßig, wenn eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers trotz Abmahnung nicht zu erwarten sei oder die Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer so schwerwiegend in ihrem Ausmaß, ihren Folgen oder dem Grad des Verschuldens sei, dass eine Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber nicht zumutbar wäre. Vorliegend habe keine dieser beiden Ausnahmen vorgelegen, sodass die Beklagte eine Abmahnung hätte erlassen müssen. Für den Kläger würde hier sprechen, dass er die Beklagte sowohl über den Kontakt mit einer erkrankten Person als auch über den negativen Coronatest am 20. Januar informiert habe. Demnach habe die Klägerin vom Sachverhalt Kenntnis gehabt. Sie habe trotzdem in den folgenden Tagen keine Schutzmaßnahmen ergriffen. Gleichwohl sei es ein schwerwiegender Vertrauensbruch gewesen, dass der Kläger die Beklagte nicht über die Quarantäneanordnung informiert habe. Hierbei müsse jedoch das Schreiben des Bezirksamts Mitte in Betracht, aus dem sich ergibt, dass der Kläger gar nicht hätte als Kontaktperson eingestuft werden dürfen, gezogen werden. Vom Kläger sei tatsächlich kein erhöhtes Risiko einer Ansteckung ausgegangen. Unter Abwägung all dieser Punkte kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall eine Abmahnung notwendig gewesen wäre. Der Umgang des Klägers mit der Quarantäneanordnung sei eindeutig falsch gewesen. Jedoch zeige sein Verhalten in den Tagen davor, dass er sich der Pandemielage und deren Gefahren bewusst gewesen sei. Demnach hätte die Klägerin nicht ohne Weiteres von einer negativen Verhaltensprognose ausgehen dürfen.

Zur ordentlichen Kündigung

Schließlich stellte das Gericht fest, dass auch die ordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung aus denselben Gründen unwirksam war.

Was ergibt sich daraus?

Im vorliegenden Fall arbeitet das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Voraussetzungen für ordentliche und außerordentliche Kündigungen eindeutig hervor.

Grundsätzliches

Wichtig ist zunächst, dass ein Pflichtverstoß stets an den Regeln des Zivilrechts zu messen ist. Ob ein Pflichtverstoß eine strafbare Handlung oder Ordnungswidrigkeit darstellt, ist gerade nicht entscheidend bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung. Es kommt darauf an, ob der Arbeitnehmer eine Haupt- oder Nebenleistungspflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat.

Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Kündigung

Bei der Bewertung der außerordentlichen Kündigung ist sodann ein zweigliedriger Aufbau zu wählen. Zunächst muss beurteilt werden, ob ein wichtiger Grund vorliegt, der grundsätzlich dazu geeignet ist eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Sodann ist eine Interessensabwägung vorzunehmen. Hierbei ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren. Das führt dazu, dass auch bei der außerordentlichen Kündigung grundsätzlich eine vorherige Abmahnung notwendig ist, da diese ein milderes Mittel zur Kündigung darstellt. Ausnahmsweise ist die vorherige Abmahnung entbehrlich, wenn ex ante erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten auch trotz Abmahnung nicht ändern wird oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend in Art und Ausmaß, Folgen, auch für die Situation im Betrieb, oder dem Grad des Verschuldens durch den Arbeitnehmer ist, dass eine Weiterbeschäftigung unzumutbar erscheint.
Die hier aufgezeigten Grundsätze entsprechen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

 

Alterdiskriminierung immer ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?

Was war passiert?

Im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV, wird der europäische Gerichtshof mit Beschluss des BAG vom 24.02.2022 zur Frage ersucht, ob eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters einer Jobanwärterin, nach Maßgabe der Art. 4 Abs. 1, 6 Abs. 1, 7 und 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG im Lichte des Art. 19 UN-BRK, gerechtfertigt werden könnte.

Hintergrund der Vorlage war ein Revisionsverfahren. Beteiligt war ein Assistenzdienst, der Beratungen, Unterstützungen und Leistungserbringungen für behinderten Menschen anbietet (Beklagte) und einer zur Klagezeit 53-Jährigen, die sich vergebens auf ein Stellenangebot der Beklagten beworben hat (Klägerin).

Im Juli 2018 veröffentlichte die Beklagte ein Stellenangebot, in der sie für eine 28-jährige Studentin, weibliche Assistentinnen in allen Lebensbereichen des Alltags suchte, wobei die Bewerberinnen im besten Fall zwischen 18 und 30 Jahre alt sein sollten. Nachdem die Klägerin erfolglos sich auf jenes Stellenagebot bewarb, erhob sie gegen die Beklagte am 18.10.2018 Klage vor dem Arbeitsgericht Köln auf Entschädigung nach Maßgabe des § 15 Abs. 2 AGG. Die Klägerin war hierbei der Auffassung, dass sie nur auf aufgrund ihres Alters nicht berücksichtigt worden sei und demnach diskriminiert worden ist. Weiterhin sei die Diskriminierung auch nicht nach Maßgabe der §§ 8 Abs. 1 und 10 AGG zulässig. Sie ist der Auffassung, dass für das Vertrauensverhältnis im Assistenzdienst kein bestimmtes Alter relevant sei und dass sie aufgrund ihrer Lebens- und Berufserfahrung für die Stelle hätte berücksichtigt werden müssen.

Die Beklagte beantragte die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Ansicht, dass § 8 Abs. 1 bzw. § 10 AGG Anwendung findet. Die betroffene Studentin bedürfe im vorliegenden Fall eine allumfassende Alltagsbegleitung in ständiger und vollkommener Abhängigkeit. Weiterhin trägt sie vor, dass das Alter einer Bewerberin eine höchstpersönliche Voraussetzung zur Befriedigung der Bedürfnisse der Assistenznehmerin darstelle, da nur so eine adäquate Teilnahme am sozialen Leben als Studentin an einer Universität für sie gewährleistet werden könnte.

Nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 SGB IX, seien hierbei die Wünsche, Interessen und Bedürfnisse der assistenznehmenden Personen zu berücksichtigen gewesen, da diese wegen ihrer Hilfsbedürftigkeit ständig Einschnitte in ihrer Privat- und Intimsphäre hinzunehmen hätte. Demnach stelle das Wunschalter durch die Hilfesuchende Studentin eine entscheidende berufliche Anforderung dar, um die Ziele des § 78 Abs. 1 SGB IX zu erreichen welche einen Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Betroffenen nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG darstellen würde. Schlussfolgernd sei daher die Diskriminierung gemäß § 10 AGG objektiv angemessen und erforderlich gewesen, da diese einen legitimen Zweck verfolge.

Auffassung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG geht im vorliegenden Fall davon aus, dass der Rechtsstreit unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG falle, da das Stellenangebot der Beklagten mit dem geäußerten Wunschalter der Kandidaten, ein Auswahlkriterien zum Zugang einer Erwerbstätigkeit nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG aufgestellt habe und die betroffene Richtlinie mit dem AGG in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Nach Überzeugung des Gerichts, wurde durch die Stellenabsage der Beklagten, die Klägerin gemäß § 3 Abs. 1 AGG, sowie nach Art 2. Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie, unmittelbar wegen ihres Alters benachteiligt. Weiterhin habe die Beklagte auch nicht die Vermutung für die Mitursächlichkeit des Alters für die Ablehnung der Klägerin widerlegt. Aus der Sicht des Gerichtes ist im vorliegenden Fall jedoch fraglich, ob die Altersdiskriminierung gerechtfertigt sein könnte. Zuletzt stünde nur fest, dass im Falle einer fehlenden Rechtfertigung, ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG begründet wäre.

Das BAG macht deutlich, dass der vorliegende Rechtsstreit sich im Spannungsfeld zwischen den Diskriminierungsschutz der Klägerin wegen ihres Alters (§ 3 Abs. 1 AGG, Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG, Art. 21 Grundrechtecharta der europäischen Union) und des Diskriminierungsschutzes der hilfesuchenden Studentin und somit auch der Beklagten wegen einer Behinderung (Art. 21 und 26 der Grundrechtecharta der europäischen Union) befinde.

Nach Auffassung des BAG, seien bei Assistenzleistungen nach Maßgabe des § 78 Abs. 1 SGB IX unterschiedlichste Faktoren zu berücksichtigen. Neben den verschiedenen rechtlichen Vorgaben, den individuellen Assistenzbedürfnissen, den zuständigen Leistungsträgern (Krankenkasse, Bundesagentur für Arbeit etc.) oder den Bewilligungs- und Finanzierungsbedingungen, gelte es auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Leistungen auch auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen organisiert werden können (Arbeitgebermodell, organisatorische Hilfe durch Genossenschaften etc.).

Letzteres stehe besonders eng mit der Tatsache zusammen, dass die notwendigen Hilfeleistungen die Betroffenen tief in ihrer Privat- und Intimsphäre treffen, da diese häufig in nahezu jeder Lebenslage auf Hilfe angewiesen sind. Folglich gelte es daher bei der persönlichen Assistenz von behinderten Menschen, ein selbstbestimmtes und organsiertes Leben der Betroffenen (Selbstbestimmung, Teilhabe und Inklusion) soweit wie irgend möglichst zu gewährleisten. Diese Unabhängigkeit würde sich bei dem Hilfesuchenden in den Formen einer Personal- (selbstbestimmte Personalauswahl), Anleitungs- (Anleitung des Personals nach Maßgabe eigener Erfahrungen mit der Behinderung) und Organisationskompetenz (Bestimmung des Orts, der Zeiten und des Umfangs der Hilfeleistungen) hinsichtlich der Hilfeleistung manifestieren. Diese Wertungen seien ebenfalls in den unterschiedlichsten Rechtsnormen verankert.

Zum einen sei da der § 8 Abs. 1 SGB IX i.V.m. § 33 SGB I zu erwähnen, nach denen auf die angemessenen und berechtigten Wünsche der Leistungsberechtigten in Abhängigkeit von ihren persönlichen Lebensumständen (Alter, Geschlecht, Familie, Religion etc.) einzugehen sei. Zum anderen seien diese Gedanken auch in Art. 19 UN-BRK zu finden, nach dem die Vertragsstaaten wie Deutschland verpflichtet sind, geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Unabhängigkeit von behinderten Menschen als Ausdruck ihrer Menschenwürde zu garantieren. Zu diesen geeigneten Maßnahmen würden auch Unterstützungsdienste wie etwa der persönlichen Assistenz von behinderten Menschen gehören. Zum anderen könnte auch Art. 7 der Grundrechtecharta der europäischen Union herangezogen werden, da in dieser Vorschrift angeordnet wird, dass das Privatleben und die Wohnungen von Individuen geschützt werden solle.

Wo liegen die Probleme?

Das BAG betonte im vorliegenden Falle jedoch auch, dass große Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Anwendung einzelner Vorschriften innerhalb der Richtlinie 2000/78 /EG bestehen würden.

Zunächst sei Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG zu erwähnen, der davon spreche, dass die Richtlinie nicht entgegen nationaler Regelungen/Maßnahmen, welche den Schutz der Freiheit einzelner Individuen diene, anzuwenden sei. Das Gericht betonte, dass zunächst der Rechtsprechung des EuGH entnommen werden könnte, dass der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, als Rechtfertigungsgrund anzuerkennen sei (vgl. EuGH 22. Januar 2019 – C-193/17, EU:C:2019:43 – [Cresco Investigation] Rn. 52: „susceptible d’être justifiée sur le fondement de l’article 2, paragraphe 5, de la directive 2000/78“bzw. „auf der Grundlage des Art. 2 Abs. 5 … der Richtlinie 2000/78 gerechtfertigt sein kann“). Hieran anschließend stellt sich das BAG daher die Frage, ob der § 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG zur Rechtfertigung der vorliegenden Altersdiskriminierung herangezogen werden könnte, da im vorliegenden Fall die Selbstentscheidungsfreiheit von behinderten Personen geschützt werden soll. Dieses Argument stünde jedoch dem Schutz der Rechte der Klägerin gegenüber, sodass im vorliegenden Fall Klärungsbedarf besteht.

Art. 7 der Richtlinie 2000/78/EG spricht weiterhin davon, dass Mitgliedsstaaten wie Deutschland durch den Gleichbehandlungsgrundsatz der Richtlinie nicht gehindert sein sollten, spezifische Maßnahmen zur völligen Gleichstellung von Menschen im Berufsleben zu treffen. Das Gericht betonte, dass im vorliegenden Falle die persönliche Assistenz für behinderte Menschen, den oben benannten Ziel zwar nicht unmittelbar diene, jedoch die Frage aufzuwerfen sei, ob diese Vorschrift in Verbindung mit den Wertungen des Art. 19 UN-BRK und dessen menschenrechtlichen Ansätzen, zumindest mittelbar zur Rechtfertigung von Altersdiskriminierungen herangezogen werden könnte.
Abschließend formulieren Art. 6 Abs. 1 und 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, dass Diskriminierungen bzw. Altersdiskriminierungen unter bestimmten Umständen gar nicht vorliegen würden. In diesem Zusammenhang formuliert der Art. 4 Abs. 1, dass nicht von einer Diskriminierung ausgegangen werden könne, wenn das fragliche Merkmal/Kriterium im Zusammenhang mit besonderen objektiven beruflichen Anforderungen stünde (Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG). Hierbei besagte das BAG jedoch, dass sie nicht beurteilen könne, ob im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts von behinderten Menschen, dass hier formulierte Wunschalter von Betreuerinnen trotz subjektiver Elemente, eine objektive berufliche Anforderung darstellen könnte und falls doch, unter welchen Umständen eine solche Festlegung noch angemessen sei.

In einem ähnlichen Zusammenhang sei auch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zu sehen, welches explizit aufführe, dass eine Altersdiskriminierung durch objektive und angemessene Ziele des nationalen Rechts, wie etwa aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung, gerechtfertigt werden könne, wenn die eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich seien. Hierbei sei den Mitgliedsstaaten ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Problematisch sei hier jedoch die Tatsache, dass das BAG auch hier nicht feststellen könne, ob die vorliegende Ausgangssituation unter Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie fällt und falls ja, welche Vorgaben an die Angemessenheit und der Erforderlichkeit des Mittels zu stellen wären.

Zuletzt hat das BAG neben den vielen Anwendungsproblemen auch deutlich gemacht, dass der Schutz wegen Altersdiskriminierung nicht ausgehöhlt werden dürfe und den besonderen Interessen der Parteien hinreichend Rechnung getragen werden müsste. Schlussfolgernd sah das BAG zur Aufklärung des Sachverhaltes keine andere Möglichkeit, als ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV einzulegen.

Fazit

Die noch anstehende Entscheidung des europäischen Gerichtshofes sollte mit besonderer Aufmerksamkeit begegnet werden, da diese Entscheidung richtungsweisend für den Arbeitsmarkt persönlicher Leistungen und für die Behandlung von Arbeitsdiskriminierungsvorschriften sein könnte.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Charlottenburg: Rückforderung von Fortbildungskosten durch den Arbeitgeber – wann muss ein Arbeitnehmer zahlen?

Wann muss ein ausscheidender Arbeitnehmer nachträglich für die Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung aufkommen? Mit dieser Rechtsfrage beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 1. März 2022 (9 AZR 260/21). Ein Blick in die Entscheidung lohnt sich, denn in bestimmten Fällen besteht trotz entsprechender Vertragsklausel keine Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers.

Was war passiert?

Häufig finden sich in den AGB von Fortbildungsverträgen Klauseln, die eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers hinsichtlich der Ausbildungskosten für den Fall vorsehen, dass das Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist nach Abschluss der Fortbildung beendet wird. Tritt dies ein, fordert der Arbeitgeber regelmäßig einen Teil der angefallenen Kosten zurück. So geschah es auch im hiesigen Fall, der am Ende beim Bundesarbeitsgericht gelandet ist. Die betroffene Arbeitnehmerin hatte nicht zahlen wollen. Das Gericht gab ihr damit am Ende Recht.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:

Einzelvertragliche Vereinbarungen, die eine Rückzahlungspflicht vorsehen, seien dabei grundsätzlich zulässig, urteilte der 9. Senat in Erfurt zunächst. Ein Arbeitnehmer werde durch eine entsprechende Klausel nicht generell unangemessen benachteiligt. Aber Achtung: Der Senat trifft hierzu eine wichtige Einschränkung.

Unzulässig und deshalb unwirksam sei eine AGB-Klausel, welche die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers knüpft. Es müsse vielmehr stets nach dem Grund der Kündigung differenziert werden. Ansonsten liegt ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vor. Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne dieser Norm sei dabei nicht nur in Fällen anzunehmen, in denen der Arbeitnehmer durch Gründe aus der Sphäre des Arbeitgebers zu einer Kündigung veranlasst wird. Eine Rückzahlungsklausel ist auch dann unangemessen benachteiligend im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie auch den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm unverschuldet – z.B. aus gesundheitlichen Gründen – dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichtet. Denn am Fortbestand eines nicht erfüllbaren und damit „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnisses besteht kein billigenswertes Interesse. Der Umstand, dass sich die Investition in die Aus- und Weiterbildung des Arbeitnehmers aufgrund unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit für den Arbeitgeber nicht rechnet, da die durch die Fortbildung erworbene oder aufrechterhaltene Qualifikation nicht (mehr) nutzbar ist, ist dem unternehmerischen Risiko zuzurechnen. Die Verluste hat der Arbeitgeber als Betriebsausgaben zu tragen.

Kommt es nun zum Prozess wegen des Streits um die Rückzahlungspflicht der Fortbildungskosten, sollten Arbeitnehmer wissen, dass der Arbeitgeber sich zunächst auf den Vortrag beschränken kann, die Eigenkündigung des Arbeitnehmers beruhe nicht auf unverschuldeten personenbedingten Gründen. Nun ist der Arbeitnehmer am Zug und hat substantiiert vorzuragen, durch unverschuldete Gründe in seiner Person, die seine Beschäftigung bis zum Ablauf der Bindungsfrist ausschließen, zur Eigenkündigung veranlasst worden zu sein.

Fazit:

Aufgrund der arbeitnehmerfreundlichen Entscheidung des BAG lohnt sich ein genauerer Blick in den Vertragstext. Eine ausnahmslose Kostentragungspflicht bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vorgesehenen Bindungsfrist ohne Differenzierung nach dem Grund für die Kündigung ist rechtlich nicht zulässig. Die damit einhergehende Pflicht zur Rückzahlung der Ausbildungskosten entfällt.

 

Fachanwalt für Arbeitsrecht Stephan Kersten: Das betriebliche Eingliederungsmanagement

Das betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) ist in § 167 SGB IX geregelt.

§ 167 Abs. 2 SGB IX enthält eine Legaldefinition, was hierunter grundsätzlich zu verstehen ist. Da der Gesetzgeber in § 167 Abs. 2 SGB IX für die praktische Durchführung eines BEM nur einige „Mindeststandards“ festlegt hat, hat die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung diese Vorgaben zunehmend konkretisiert.

Ziele des BEM

Ziel des BEM ist es zunächst, herauszufinden, wie bestehende Arbeitsunfähigkeit überwunden werden und erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz möglichst erhalten werden kann (§ 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX).

Dies soll in einem „ergebnisoffenen Suchprozess“ (BAG 22. März 2016, 1 ABR 14/14) geschehen.

Zudem soll das BEM, ausweislich der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 84 SGB IX aF im Jahr 2004, dazu beitragen der Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz einen stärkeren Stellenwert verschaffen (vgl. BT-Drs. 15/1783, S. 16).

Voraussetzungen und Durchführung des BEM

Obwohl das BEM im SGB IX und damit in dem Buch „Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung“ geregelt ist, ist ein BEM grundsätzlich bei allen Arbeitnehmern durchzuführen. Es kommt zudem weder auf die Betriebsgröße noch auf die Rechtsform des Betriebes an. Es ist auch unerheblich, ob die Arbeitsunfähigkeit arbeitsbedingt eingetreten ist oder nicht.

Das BEM besteht grundsätzlich aus zwei Phasen:

In der ersten Phase bietet der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern, die die gemäß § 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX erforderlichen Krankheitszeiten aufweisen, die Durchführung eines BEM an.

Erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Möglichkeit zur Durchführung eines BEM zu unterrichten. Stimmt der Arbeitnehmer der Durchführung eines BEM zu, so sind in der zweiten Phase mit allen Beteiligten gemeinsam mögliche Maßnahmen zu erörtern. Sind geeignete Maßnahmen gefunden worden, so ist der Arbeitgeber verpflichtet diese Maßnahmen anschließend umzusetzen.

Die Einladung zum BEM

Die Einladung zum BEM stellt einen wichtigen Punkt dar, da der Arbeitnehmer anhand der in der Einladung enthaltenen Informationen entscheiden soll, ob er an dem BEM teilnehmen möchte oder nicht. Nach der Rechtsprechung muss eine Einladung folgende Informationen enthalten:

• Ziele des BEM
• Freiwilligkeit des BEM
• Art und Umfang der zu erhebenden und zu verwendenden Daten
• Möglichkeit, die in § 167 Abs. 2 SGB IX genannten Stellen bzw. Personen hinzuzuziehen

Folge eines unterlassenen BEM im Rahmen einer krankheitsbedingten Kündigung

Will der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer krankheitsbedingt kündigen, so stellt sich die Frage, ob Voraussetzung hierfür die erfolglose Durchführung eines BEM ist. Denn eine Kündigung muss stets verhältnismäßig und nach dem ultima-ratio-Prinzip die letzte Möglichkeit sein. Das BEM konkretisiert diesen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, indem es dazu bei trägt zu überprüfen, ob andere Möglichkeiten als eine Kündigung in Betracht kommen.

Die Durchführung bzw. Nichtdurchführung eines BEM hat folglich Auswirkungen auf den Kündigungsschutzprozess:

Kommt es zu einem Kündigungsschutzprozess trifft den Arbeitgeber zunächst einmal die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein BEM ordnungsgemäß durchgeführt wurde.

Hat der Arbeitgeber ein BEM ordnungsgemäß durchgeführt und fehlerfrei festgestellt, dass eine andere Beschäftigungsmöglichkeit nicht in Betracht kommt, so ist eine krankheitsbedingte Kündigung das letzte Mittel und die Kündigung daher verhältnismäßig. Wurde ein BEM hingegen nicht durchgeführt, so kann sich dies im Rahmen der Interessenabwägung nachteilig für den Arbeitgeber auswirken und dazu führen, dass sich die Kündigung im Prozess als unverhältnismäßig und damit als unwirksam herausstellt.

Jedoch führt ein unterlassenes BEM nicht automatisch dazu, dass eine Kündigung unverhältnismäßig ist.

Denn der Arbeitgeber hat im Prozess die Möglichkeit darzulegen und zu beweisen, dass sich die Durchführung eines BEM als objektiv nutzlos erwiesen hätte. Von einer solchen objektiven Nutzlosigkeit ist auszugehen, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter keinen Umständen möglich gewesen wäre. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer unheilbar krank ist oder die Arbeitsfähigkeit auf nicht absehbare Zeit ausgeschlossen ist.

Datenschutz

Der Datenschutz spielt bei der Durchführung des BEM eine besonders wichtige Rolle.

Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer stets darüber zu informieren, welche Daten von ihm erhoben und wofür diese Daten verarbeitet werden. Die preisgegebenen Daten dürfen zu keinen anderen als den vom Arbeitnehmer genehmigten Zwecken verwendet werden.
Bei den im Rahmen eines BEM erhobenen und verarbeiteten Daten handelt es sich vor allem um Gesundheitsdaten des Arbeitnehmers, bei denen es sich um sehr sensible Daten handelt, die nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO als eine besondere Kategorie personenbezogener Daten besonders geschützt sind.

Zu deren Erhebung und Verwendung bedarf es daher einer Ermächtigungsgrundlage für den Arbeitgeber. Diese kann sich insbesondere aus einer Einwilligung des Arbeitnehmers ergeben.

Detailliertere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie hier.