Außerordentliche Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts
LAG Köln: Außerordentliche Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts
LAG Köln beantwortet die Frage, wann ein Arbeitnehmer mit einer außerordentlichen, fristlos ausgesprochenen Kündigung zu rechnen hat, wenn er ohne konkrete Gewährung von Urlaub, eigenmächtig Urlaub antritt:
Zunächst weist das LAG Köln daraufhin, dass auch vorliegend die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung heranzuziehen sind.
„Tritt ein Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub an, so verletzt er seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung (§ BGB § 626 BGB) darzustellen. Erteilt der Arbeitgeber ohne ausreichende Gründe nicht den beantragten Urlaub, so kann der Arbeitnehmer durch eine Leistungsklage oder gegebenenfalls einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung seine Ansprüche durchsetzen. Ein Recht, sich selbst zu beurlauben, hat der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen Urlaub erteilt, so verletzt dieser seine Arbeitspflicht, wenn er eigenmächtig den Urlaub antritt (BAG, NJW 1994, 1894).“
Jedoch muss weiter geprüft werden, ob „im Rahmen einer allseitigen Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine außerordentliche Kündigung, eine ordentliche Kündigung oder gegebenenfalls nur eine Abmahnung gerechtfertigt ist ( BAG, NZA 1994, 1994, 548).“
Nach Rechtsprechung des BAG „kommt eine außerordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung sind neben der ordentlichen Kündigung auch Abmahnung und Versetzung anzusehen. Diese sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung künftiger Störungen – zu erreichen.“
Das LAG Köln lässt die Kündigung am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz scheitern. Die Kammer führt dazu aus:
„Der Kl. ist verheiratet und hat zwei schulpflichtige Kinder. Er befand sich in der hier strittigen Urlaubszeit, den Osterferien, zunächst in einer zuvor gebuchten Reise in P., um das „Disneyland“ in der Nähe von P. mit den Kindern zu besuchen. Den Urlaub hatte der Kl. bereits im Januar beantragt.Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Bekl. den Urlaub nicht genehmigt hatte, so ist doch zumindest festzuhalten und im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass der Bekl. einen für die Osterferien von einem verheirateten Mann mit zwei Schulkindern gebuchten Urlaub bis unmittelbar vor den Osterferien, d. h. also fast vier Monate lang, nicht beschieden hatte. Dieses verstößt gegen die dem Bekl. obliegenden allgemeinen Fürsorgepflichten und insbesondere gegen die dem Bekl. obliegende Pflicht, seinen Betrieb so zu organisieren, dass rechtzeitig und in zumutbarer Zeit über einen Urlaubsantrag entschieden wird (vgl. dazu auch BAG, NZA 1998, NZA Jahr 1998 Seite 708)“.
Auch sei „Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten des Kl. zu berücksichtigen, dass dieser bereits seit dem Jahre 2002 bei dem Bekl. beschäftigt ist und mithin im Zeitpunkt der Kündigung eine Betriebszugehörigkeit von annähernd zehn Jahren aufwies. Dass jemals ein vergleichbarer Fall vorgekommen wäre oder sonst das Arbeitsverhältnis in nennenswerter und einschlägiger Weise gestört worden sei, hat die Bekl. – jedenfalls substanziiert – nicht vorgetragen. Es ist daher von einem langjährigen ungestörten Bestand des Arbeitsverhältnisses auszugehen.“
„Ganz wesentlich im Rahmen der Interessenabwägung ist zu Gunsten des Kl. zu berücksichtigen, dass der Kl. einen Anspruch auf Genehmigung hatte.“
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 28. 6. 2013 – 4 Sa 8/13