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Böswilliges Unterlassen der Annahme zumutbarer Arbeit – Arbeitgeberrechte gestärkt

Entgeltansprüche des Arbeitnehmers belaufen sich auf Null, wenn durch böswilliges Unterlassen die Annahme zumutbarer Arbeit verweigert wird.

 

Was ist passiert?

Der Kläger, Sachbearbeiter einer Versicherung, forderte Ansprüche auf Annahmeverzugslöhne nach einem erfolgreichen Kündigungsschutzverfahren aufgrund von zwei fristlosen Kündigungen im Mai 2017 und Juni 2019. Er behauptet, keinen Zwischenverdienst erzielt zu haben. Seit Oktober 2018 habe er per E-Mail und über die Online-Jobbörse der Agentur für Arbeit 104 Bewerbungen versandt. Dabei erhielt er 75 Absagen, 29 blieben ohne Reaktion.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung zurück. Obwohl dem Kläger grundsätzlich Entgeltansprüche gemäß §§ 611a Abs. 1, 615 BGB aufgrund des Annahmeverzugs zustehen, belief sich dieser Anspruch vorliegend aufgrund von böswilligen Unterlassen der Annahme zumutbarer Arbeit gemäß § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG, § 615 S. 2 BGB auf Null.

Gemäß § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG darf der Arbeitnehmer nicht passiv bleiben, wenn ihm realistische Arbeitsmöglichkeiten angeboten werden.

Der Kläger habe zwar vorliegend Auskunft über die ihm unterbreiteten Vermittlungsvorschläge erteilt, die Beklagte präsentierte jedoch Indizien für die Zumutbarkeit der Arbeit. Insbesondere habe der Kläger sich nur auf drei Vermittlungsvorschläge beworben und keinen Kontakt zu den anderen von der Agentur für Arbeit benannten Arbeitgebern aufgenommen. Zusätzliche Indizien sei die Antwortmail eines potenziellen Arbeitgebers mit dem Hinweis auf die fehlende Erreichbarkeit des Klägers und die nicht erfolgte Bitte, vollständige Unterlagen zu senden. Dies deutet darauf hin, dass die Bewerbungsbemühungen des Klägers nicht ernsthaft waren.

Bei fehlenden Reaktionen auf 29 Bewerbungen hätte er nachfragen und den Sachstand erfragen müssen. Die Anzahl der Bewerbungen (rund 100 in 29 Monaten) entspricht rechnerisch nicht einmal einer Bewerbung pro Woche. Zudem wird die Qualität der Bewerbungen als indiziell ungünstig bewertet, da sie nicht an die jeweilige Stelle angepasst waren. Der Kläger ist diesen Indizien nicht substantiiert entgegengetreten, was zum Verlust des Anspruchs führt.

Fazit

Für die Praxis bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung einen entscheidenden Einfluss auf zukünftige Abfindungsverhandlungen haben wird. Das Landesarbeitsgericht setzt konsequent die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts um, wonach Arbeitgebern bei der Geltendmachung von Annahmeverzugslohnansprüchen Auskunftsansprüche zustehen. Gänzlich untätige Arbeitnehmer dürften es schwer haben, Annahmeverzugslohn geltend zu machen. Arbeitnehmer sollten nicht passiv bleiben, sondern aktiv nach realistischen Arbeitsmöglichkeiten suchen, einschließlich der Option, eigene Angebote abzugeben.

 

LAG Berlin-Brandenburg 6 Sa 280/22