Verdacht einer Fortsetzungserkrankung
Nach den grundsätzlichen Prinzipien der Darlegungs- und Beweislast hat jede Partei die zu ihren Gunsten sprechenden Tatsachen vorzutragen. Dieses Prinzip wird allerdings dann in anerkannter Weise durchbrochen, wenn es sich um Tatsachen handelt, die aus dem Verantwortungsbereich der anderen Partei stammen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass jemand grundsätzlich nicht über die nötigen Informationen verfügt, um seinen Einwand substantiiert darzulegen.
Im Geltungsbereich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle (gemäß § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntFG)) oblag es lange Zeit dem Arbeitgeber, darzulegen, dass eine Fortsetzungserkrankung im konkreten Falle vorliege und der Anspruch auf Entgeltfortzahlung demnach nicht gegeben sei.
In dieser Hinsicht hat sich jedoch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2005 geändert (BAG, Urteil vom 13. Juli 2005 (5 AZR 389/04)).
Der Arbeitnehmer kann regelmäßig durch Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EntFG begründen. Die Unkenntnis des Arbeitgebers von den Krankheitsursachen ist jedoch bei der Verteilung der Darlegungslast zum Bestehen einer Fortsetzungserkrankung zu berücksichtigen. Demzufolge wird von dem Arbeitnehmer vor allem innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 S. 2 EntFG nun ebenfalls verlangt, darzulegen, dass es sich nicht um eine Fortsetzungserkrankung handelt.
Bestreitet der Arbeitgeber jedoch das Vorliegen einer neuen Krankheit, kommt die eingangs erwähnte Durchbrechung der Darlegungs- und Beweislast zum Tragen. Hier wird jetzt vom Arbeitnehmer verlangt, diejenigen Tatsachen vorzutragen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung vorgelegen. Dazu hat der Arbeitnehmer regelmäßig seinen Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden.
Dieser geänderten Rechtsprechung hat das BAG letztes Jahr bestätigt und auch viele Landesarbeitsgerichte haben sich der Entscheidung angeschlossen.
Vgl. dazu: BAG, Urteil vom 10. September 2014 (10 AZR 651/12); LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. April 2015 (6 Sa 2098/14); LArbG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Januar 2014 (4 Sa 553/12); LArbG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Februar 2012 (13 Sa 117/11); LArbG Niedersachsen, Urteil vom 13. April 2007 (3 Sa 1620/06); LArbG Hamm (Westfalen), Urteil vom 18. Januar 2006 (18 Sa 1418/05)