Kündigungsschutz und Schwerbehinderung
Schwerbehinderung parallel zur Kündigung geltend machen
Sollte einem Arbeitgeber die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers unbekannt sein, kann sich dieser trotzdem auf den Sonderkündigungsschutz berufen, wenn der Arbeitnehmer ihn zumindest innerhalb der Frist des § 4 KschG informiert.
Dies ergab sich in folgendem Fall: Ein Arbeitgeber wollte seinem Arbeitnehmer kündigen. Bevor ihm die Kündigung zugestellt worden war, stellte der Arbeitnehmer jedoch Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderteneigenschaft beim zuständigen Versorgungsamt. Dieser Antrag war als die Kündigung gestellt wurde, noch nicht entschieden und dem Arbeitgeber war weder der Antrag beim Versorgungsamt noch die Schwerbehinderung bewusst. Alleine das der Bescheid beim Versorgungsamt gestellt wurde, reicht jedoch aus, damit dem Arbeitnehmer ein Sonderkündigungsschutz nach den §§ 85 ff. SGB IX zusteht, auch ohne vorherige Kenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft oder der Antragsstellung des Arbeitgebers (BAG vom 23. Februar 2010 – 2 AZR 659 / 08).
Dieses Recht, sich nachträglich auf eine Schwerbehinderung zu berufen und die Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung geltend zu machen, unterliegt jedoch der Verwirkung nach § 242 BGB. Hierbei handelt es sich um einen Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Der Maßstab der Rechtzeitigkeit gegen die Kündigung vorzugehen und nachträglich eine Schwerbehinderung geltend zu machen, ist hierbei die dreiwöchige Frist des § 4 S. 1 KSchG. Hierzu ist jedoch noch ein Zeitraum zu addieren, in welchem der Arbeitnehmer den Zugang der Mitteilung über den bestehenden Sonderkündigungsschutz beim Arbeitgeber auch tatsächlich umsetzen kann. Auch darf es für den Arbeitnehmer nicht zum Nachteil gereichen, wenn er eine schriftliche Information wählt (BAG vom 22. September 2016 – 2 AZR 700 / 15).