Natur und Zweck des BEM
Beim BEM handelt es sich nicht um ein milderes Mittel zur Kündigung. (13 Sa 453/23, Rn. 43) Es dient im Gegenteil gerade dazu mildere Mittel zu schaffen oder zu finden. (13 Sa 453/23, Rn. 43)
Beweislasten (des Arbeitgebers)
Sofern keine Pflicht des Arbeitgebers zum BEM besteht, ist die Behauptung zur Erfüllung der ihn treffenden Beweislast erst einmal ausreichend, dass kein (anderer) angemessener Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer gefunden werden kann. (13 Sa 453/23, Rn. 42) Erst wenn der Arbeitnehmer erklärt, wie eine leidensgerechte Weiterbeschäftigung im Einzelfall möglich wäre, erweitert sich die Beweislast des Arbeitgebers dies zu widerlegen. (13 Sa 453/23, Rn. 42)
Die krankheitsbedingte Kündigung verliert nicht an Wirksamkeit, wenn kein BEM erfolgt ist. (13 Sa 453/23, Rn. 43) Allerdings trifft den Arbeitgeber dann die Beweislast, dass ein hypothetisches BEM nicht erfolgreich gewesen wäre. (13 Sa 453/23, Rn. 43)
Behauptet der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber habe das BEM zweckmissbraucht, um ihn zu entlassen, hat er dies ggf. selbst zu beweisen. (13 Sa 453/23, Rn. 45) Andernfalls nämlich kann sich der Arbeitgeber erfolgreich auf das erfolgte BEM berufen und so seiner Beweislast nachkommen. (13 Sa 453/23, Rn. 46)
Datenschutz
Die Durchführung eines BEM darf nicht unter die Bedingung einer akzeptierten Datenschutzerklärung gestellt werden. (2 AZR 162/22, Rn. 21) Denn dies ist nicht gem. § 167 II SGB IX für die Ausführung eines BEM erforderlich. (2 AZR 162/22, Rn. 22)
Die Weigerung eine Datenschutzerklärung zu akzeptieren ist demnach auch keine Weigerung hinsichtlich der Durchführung eines BEM. (2 AZR 162/22, Rn. 23) I.R. der ersten BEM-Sitzungen kann nämlich dialogisch thematisiert werden ob, wie und welche Daten erforderlich sind und an wen diese weitergegeben werden. (2 AZR 162/22, Rn. 23) Nur, wenn eine erforderliche Mitwirkung verweigert wird, die notwendigen Daten also nicht bereitgestellt werden, kann der Arbeitgeber das BEM beenden. (2 AZR 162/22, Rn. 23)
Weiter ausführend auch 14 Sa 825/21, Rn. 94ff..
Zustimmung des Integrationsamtes
Ob das Integrationsamt der Kündigung eines Arbeitgebers zustimmt, vermag nichts über die Erfolgsaussichten eines BEM zu sagen. (2 AZR 162/22, Rn. 35ff.) Schließlich lässt sich eine solche Wertung weder im § 167 II SGB IX finden, noch gibt es inhaltliche Gründe für eine solche Wirkung; denn vom Zustimmungserfordernis wird etwas ganz anderes als mit dem BEM bezweckt (2 AZR 162/22, Rn. 35). In einem Verfahren wird möglichst versucht eine Kündigung durch ein milderes Mittel abzuwenden, in dem anderen Verfahren wird eine Kündigung schon vorausgesetzt und bloß durch Interessenabwägung überprüft(2 AZR 162/22, Rn. 35). Die Zustimmung des Integrationsamtes zurr Kündigung ist auch deswegen unbeachtlich, weil dieser Verwaltungsakt rechtmäßigkeitsunabhängig Rechtswirkung entfaltet, die Kündigung aber nur arbeitsgerichtlich prüfbar ist (2 AZR 162/22, Rn. 35; sowie ergänzend 2 AZR 193/21, Rn. 21).
Reziprozität
„Die Beklagte musste – da es sich beim bEM um ein konsensuales Verfahren handelt – die diesbezüglichen Vorstellungen der Klägerin zur Kenntnis nehmen und diese soweit wie möglich bei dem weiteren Verfahrensablauf berücksichtigen.“ (2 AZR 162/22, Rn. 23).
Wiederholung des BEM
Grds. ist ein BEM erneut anzubieten, wenn binnen eines Jahres nach dem vorherigen BEM, der Arbeitnehmer krankheitsbedingt für über sechs Wochen nicht zur Arbeit fähig war (17 Sa 57/21 , Rn. 59ff.). Dies gilt unabhängig davon, ob das BEM zuvor nur angeboten, schon begonnen oder gar abgeschlossen worden ist. (17 Sa 57/21, Rn. 60f.) Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer seither krankheitsbedingt durchgehend nicht zur Arbeit fähig war, solange das BEM (oder dessen Versuch) mehr als sechs Wochen zurückliegt. (17 Sa 57/21, Rn. 60f.) Schließlich ist es möglich, dass nach dem Verstreichen von sechs Wochen neue, mildere Mittel i.R.d. BEM zu finden oder schaffen sind. (17 Sa 57/21, Rn. 60f.)
Auf das Verstreichen eines Jahres zu warten ist dabei nicht erforderlich – ein BEM ist im Gegenteil regelmäßig gerade vorher erforderlich. (1 Ca 303/22, Rn. 36)
Auch, wenn schon zuvor ein BEM erfolgt ist, kann der Arbeitgeber (beweisbelastet) vorbringen, dass ein erneutes BEM nicht erfolgreich gewesen wäre (17 Sa 57/21, Rn. 66). Der Umfang der Beweislast erstreckt sich allerdings nur auf das
„Mögliche[..] und nach den Umständen des Streitfalls Veranlasste[..]“ (17 Sa 57/21, Rn. 66). „Das heißt, der Arbeitgeber hat von sich aus alle vernünftigerweise in Betracht kommenden – und vom Arbeitnehmer ggf. bereits außergerichtlich genannten Alternativen – zu würdigen und, soweit ihm aufgrund seines Kenntnisstands möglich, im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen – seinem Gesundheitszustand entsprechenden – Arbeitsplatz noch eine Maßnahme des Rehabilitationsträgers in Betracht kommt.“ (17 Sa 57/21, Rn. 66)
Erforderlichkeit des BEM Verfahrens
Läuft ein BEM-Verfahren noch, so ist ein zusätzliches nicht erforderlich. (1 Ca 303/22, Rn. 37)
Ende des BEM
Ein BEM-Verfahren ist beendet, wenn der Arbeitnehmer die weitere Durchführung verweigert oder unterlässt (1 Ca 303/22, Rn. 37).
Beamte
Ein BEM ist nicht erforderlich, wenn ein Beamter krankheitsbedingt permanent nicht zur Arbeit fähig ist und sonst nicht eingesetzt werden kann. (2 LZ 537/21 OVG, Rn. 10)
Fehler bei der Durchführung des BEM
Ist das BEM fehlerhaft erfolgt, erstreckt sich die Beweislast des Arbeitgebers darauf, dass der Fehler nicht zur Vergeblichkeit des BEM geführt hat. (14 Sa 825/21, Rn. 79) Lehnt der Arbeitnehmer ein BEM ab, deutet dies darauf hin, dass es nicht erfolgreich gewesen wäre. (14 Sa 825/21, Rn. 79). Thematisiert das BEM nicht in ausreichendem Maße sowohl die gesundheitlichen Gründe der Arbeitsunfähigkeit, als auch die Unterstützung bei der Verhinderung künftiger Arbeitsunfähigkeit aus dem selben Grund, ist es „inhaltlich unvollständig[..]“. (14 Sa 825/21, Rn. 89ff.) Dies führt grds. zur Fehlerhaftigkeit, außer wenn die Parteien über den Abschluss des BEM übereinkommen und das BEM so beenden. (14 Sa 825/21, Rn. 92f.)
historische Regelungsäquivalenz
„Die Regelung in § 176 SGB IX ist inhaltsgleich mit dem bis zum 31. Dezember 2017 geltenden § 93 SGB IX aF und entspricht im Übrigen § 23 SchwbG idF vom 26. August 1986, § 20 SchwbG idF vom 8. Oktober 1979 und § 19b SchwbG idF vom 24. April 1974. Bereits nach diesen Vorgängerregelungen hatte stets der Betriebsrat die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern und auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung hinzuwirken.“ (1 ABR 14/22, Rn. 41)
Organe
Die Wiedereingliederung ist Aufgabe der in § 176 SGB IX genannten Räte; eine analoge Anwendung auf sog. Sprecherausschüsse ist, aufgrund entgegenstehender Intention des Gesetzgebers, nicht statthaft. (1 ABR 14/22, Rn. 40; sowie Rn. 41ff. für eine umfassendere Erklärung)
Ausmaß
Die Aufgaben des Betriebsrates aus § 80 I Nr. 4 BetrVG erstrecken sich auch entsprechend auf leitende Angestellte. (1 ABR 14/22, Rn. 33; für Erläuterungen siehe die folgenden Randnummern) Damit ist die vorhergehende Norm eine explizite Abweichung von und im Sinne des § 5 III 1 BetrVG. (1 ABR 14/22, Rn. 33 & 48)